Der Islam kennt zwar keine Heiligen, die zwischen dem Gläubigen und Allah vermitteln, aber das Volk in der islamischen Welt hat das immer anders emfunden.
Weil der Prophet Muhammad den Islam verkündete, wird er ganz besonders verehrt. Ebenso verehrt werden aber auch seine Gefährten, die ersten vier Kalifen Abu Bakr, Omar, Osman und Ali und Muhammads Gattin Chadidscha und ihre Tochter Fatima.
Vor der Ankunft der ersten Türken war das Gebiet der heutigen Türkei christlich. Die zur Religion des Islam übergetretene Bevölkerung bewahrte aber, was ihnen heilig war. So entstanden viele Stätten der Verehrung. Besonders bei den Sufis bekam die Bevölkerung Hilfe durch Heilige, die ihnen in den Nöten des Alltags beistanden. Der Heilige Georg verwandelte sich einfach in den muslimischen Hidrellez.
Fast jedes Istanbuler Wohnquartier besitzt sein eigenes Heiligengrab, mit einer turban-bekrönten osmanischen Grabstele, mit grünem Zaun und Grabstein. Auf der Mauer stehen Kerzen und manchmal steht dort auch eine Tafel, auf der die offizielle Religionsbehörde darauf hinweist, dass das Abbrennen von Kerzen an Heiligengräbern unislamisch ist.
Obwohl Heiligenverehrung und Personen- und Gräberkult im Islam eigentlich abgelehnt wird, sind Gräber frommer Männer und Frauen zu Pilgerstätten geworden. Unter ihnen waren bedeutende Mystiker und Mystikerinnen, welche die reine Gottesliebe predigten und sehr bescheiden lebten. Die Bezeichnung „Sufi“ soll auf ihr einfaches Wollgewand zurückgehen. Manche gründeten Sufi-Orden, wie jenen der „Tanzenden Derwische.
Maulana Rumi war einer der größten mystischen Dichter des Islam und gründete den Maulawi-Orden der tanzenden Derwische.
Seine größten Werke sind der Divan-e Schams, den er seinem mystischen Lehrmeister Schams-e Tabrizi widmete, das Masnavi, eine große epische Gedichtsammlung, und die metaphysischen Diskurse Fihi ma fihi.
Um sich mit Gott seelisch zu verbinden und in seiner Liebe aufzugehen, schrieb er Gebete, die auch gesungen wurden oder tanzte den wirbelnden Derwischtanz.
In Rumis Gedichten steht z. B. der Geliebte für die ewige Sehnsucht des Menschen und für das Transzendentale oder der Schmetterling, der an der Kerze verbrennt für das suchende, liebende Herz.
Als ich dieses Gedicht in meinem Garten las, erhob sich um mich herum ein überirdischer Gesang:
Ich suchte am Kreuz der Christen, doch da war Er nicht;
Ich ging in den Tempel der Hindus und in die alten Pagoden,
doch nirgends fand ich eine Spur von Ihm.
Ich suchte auf Bergen und Tälern, doch
Weder in der Höhe noch in den Niederungen fand ich Ihn.
Ich ging zur Ka’ba nach Mekka, doch auch dort war Er nicht.
Ich fragte die Gelehrten und Philosophen,
doch Er war jenseits ihres Begreifens.
Da schaute ich in mein Herz, und dort,
an Seinem Wohnort, sah ich Ihn;
an keinem anderen Ort war Er zu finden.
(Juwelen persischer Weisheit)
Rabi’a von Basra geb. ca. 720 ist die berühmteste arabische Mystikerin. Sie hatte viele Schüler, unter ihnen den Mystiker Hasan al-Basri.
Einst ging sie mit einem Eimer Wasser und einer Fackel durch die Straßen von Basra und rief:
„Ich möchte Feuer ans Paradies legen und Wasser in die Hölle gießen, damit niemand mehr Gott aus Angst vor der Höllenstrafe oder in Erwartung paradiesischen Lohnes anbetet!“
Mit diesen Gedanken beeinflusste sie Generationen von Sufis und auch den türkischen Sufi Yunus Emre, ein volkstümlicher Sänger und Dichter des 13. und 14. Jh. Dieser wandernde Derwisch ist einer der wichtigsten Dichter der türkischen Geschichte. Für ihn war das Paradies eine Schlinge, um menschliche Herzen zu fangen. In seinen Liedern preist die gesamte Schöpfung ihren Schöpfer.
Er wurde in mehr als hundert anatolischen Dörfern geboren und starb 1320 und 1321, in mehreren anatolischen Orten, an denen es entsprechende Gedenkstätten gibt.